Kapitel 16

Valin vermisste die Sonne und den Wind und litt bitterlich unter der Dunkelheit, die sie auslaugte. Doch dann spürte sie, wie in ihrem Herzen die Sonne aufging: Der Ritter, das Schwert fest in der Hand, stand vor dem Tor der Ringmauer.

"Närrin!" flüsterte Valin mit schwacher Stimme. "Närrin! Der Dunkle Engel wird dich niemals von den Fesseln befreien, und du selbst wirst es niemals tun können. Niemals! Erkenne, dass ihn dein Schicksal nicht kümmert. Nur meine Macht zählt, das ist es, was er will. Mich! Nur ich bin wichtig. Ich bin die Königin. Gerade du solltest das wissen, denn ich bin die Einzige, die dir helfen kann."
Valins Worte erreichten genau das Gegenteil. Beißender Zorn wallte auf in Malfé als sie merkte, dass die Königin sie nur ablenken wollte. „Königin!“ schrie sie. „Mächtige Königin! Schau genau hin! Auch ich bin mächtig! Ich werde nicht zulassen, dass der Ritter das Tor öffnet!“ Malfé war stärker als jemals zuvor, denn das, was sie für IHN empfand, bewirkte wahre Wunder. So war es ihr ein Leichtes den Ritters dazu zu bringen, das unheilvolle Schwert fallen zu lassen.
Mit einem Mal schwebte ein fremder Zauber heran, unverständliche Worte raunended, doch sie gaben dem Ritter Halt und Ziel und erinnerten ihn an seine Pflicht. Das durfte Malfé nicht zulassen! Mit kaum zu übertreffender Boshaftigkeit verdammte sie ihn zur Bewegungslosigkeit und sorgte dafür, dass er sich selbst den Weg zum Turm verwehrte.
"Ich werde niemals aufgeben!" flüsterte Malfé hasserfüllt. "Niemals! Ich beschütze den IHN. Ich kann nicht zulassen, dass ER getötet wird. Ich kann nicht leben ohne IHN."
Valin dämmerte nur noch vor sich hin, und fast hätte sie nicht bemerkt, dass der Ritter immer noch vor dem Tor stand. Warum ging er nicht hinein? Was hinderte ihn daran?
"Eilt Euch!" flüsterte sie. "Geht weiter! Kommt herein! Rettet mich! Tötet den Dunklen Engel!"
"Nein! Er wird nicht kommen, nicht so lange ich es verhindern kann, nicht dieser nicht und auch kein anderer Ritter, denn ich werde es verhindern!" rief Malfé und rasselte mit ihren Ketten. Es machte ihr nichts aus, hier eingekerkert zu sein. Sie war längst zu einem Geschöpf der Dunkelheit geworden.
Valin sah nun, dass die Ringmauer von einer dichten Dornenhecke überwuchert war. Das konnte doch einen Ritter nicht aufhalten! Es musste etwas anderes sein, das ihn am Weitergehen hinderte. Da erkannte sie, dass Malfé ihre Hand im Spiel hatte, doch in ihrem geschwächten Zustand fand sie nicht heraus, was für einen Zauber sie gewirkt hatte. Zum Glück war der Falke noch bei Sinnen, stürzte vom Himmel und der Ritter kam wieder zu sich. Doch er hatte vergessen, weshalb er gerufen worden war und lief davon.
"Halt!" schrie Valin. "Kehrt um! Kommt zurück! Ich brauche Eure Hilfe! Ihr müsst mir helfen! Es ist die heilige Pflicht eines Ritters. Kommt sofort zurück!"

Valin war fast am Ende ihrer Kräfte, doch es gelang ihr, das Schlachtross ein zweites Mal auf die Reise zu schicken. Würde es das nächste Mal erfolgreicher sein, einen anderen Ritter finden? Einen, der tapfer genug war, gegen den Dunklen Engel und gegen Malfé zu kämpfen? Einen, der rechtzeitig kam um ihr Leben zu retten.

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