Das Ende

Seit fast einem halben Jahrtausend kämpften die Heere aller Länder gegeneinander. Neue Reiche entstanden und verschwanden, wechselnde Allianzen waren an der Tagesordnung; Soldaten kämpften sowohl mit als auch gegeneinander. Zu Beginn ging es nur um die Eroberung industrieller Hochtechnologie, aus Werkspionage entwickelte sich ein Krieg. Längst ging es jedoch nur noch um das Land. Um Land, das nach der langen Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen knapp und kostbar war. Weite Landstriche waren verwüstet und unbewohnbar, es gab nur noch wenig Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln. Seuchen grassierten und forderten mehr Todesopfer als die Kriegshandlungen. Milliarden zogen in elenden Trecks umher, ohne Aussicht, jemals einen Ort zu erreichen, wo sie bleiben und überleben konnten. Insgesamt war die Menschheit zermürbt und ausgelaugt; wie die Welt selbst.
Einige jedoch führten trotz der katastrophalen Lage immer noch ein luxuriöses Leben.
Michael M. Streblegg, General des gleichnamigen Staates, dem größten des Nordamerikanischen Kontinents, mit Kolonien in Europa, Sibiria und auf dem Mond erkannte es als erster: Der Krieg war zu Ende – zumindest die Sorte Krieg, die sie bisher geführt hatte. Es gab zu wenig Soldaten, die die Panzer, Schiffe und Flugzeuge noch hätten bedienen können.
Im selben Jahr, es begann im Frühjahr und zog sich bis zum Herbst, ging in den Residenzen der reichen streblegger Bürger, von Seuchen und Hunger bisher weitgehend verschont, ein Grauen anderer Art um. Die Elitetruppe des Generals, sonst nur an hohen Festtagen zu sehen, waren bald täglich unterwegs und verhafteten willkürlich junge Frauen und Männer. Diejenigen, die freigelassen wurden, wussten nicht, was in der Zeit ihrer Gefangenschaft passiert war, ihre Gehirne schienen wie ausgeleert.
Bald darauf kamen die Gerüchte: von Kannibalismus über Entführung durch Außerirdische, bis hin zu rituellen Opferungen für einen Kriegsgott war alles dabei. Einig waren sich jedoch alle, dass die Verhaftungen nach dem Start des letzten Raumschiffs aufgehörten.
Im Januar 1081 I:Z stellte die Staatsbank den Betrieb ein; Streblegg war bankrott. Die Maldewittsche Konföderation übernahm die Macht. Im März 1082 I:Z zog sich die Konföderation auf ihr Kernland zurück; dabei nahmen sie alles mit, was sie tragen konnten. Ab Ende 1084 I:Z kamen die Kampfhandlungen weltweit zum Erliegen. Die Kriegsjahre hatten weltweit weniger als eine Million Menschen überlebt.
Im Januar 1085 I:Z verkündete General Streblegg das Ende des Krieges, den Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens zwischen allen Ländern der Erde und wie viel besser es allen bald gehen würde. Der General war ein großartiger Redner, schon immer gewesen, und immer wieder war es ihm gelungen, die Bürger von Strawblegg zu bewegen und zu überzeugen. Wer noch ans Energienetz angeschlossen war, konnte die ihm zujubelnde Menschenmenge mit eigenen Augen sehen. So gelang es auch denjenigen zu hoffen, die ringsum nur auf verzweifelte Gesichter schauten. Die Menschen von Strawblegg glaubten ihm, weil sie ihm glauben wollten, denn was hätten sie sonst tun sollen, ohne zu verzweifeln.

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