Verwandlung

Verwandlung

Die Miradin waren ein geselliges Völkchen, das zu feiern und zu lachen verstand. Mit der Zeit hatten sie sich von tüchtigen Seefahrern zur tüchtigen Erbauern verwandelt. Einzig, weil sie es konnten und weil es ihnen so gefiel, erbauten sie herrschaftliche Schenken rund um das Hafenbecken und dort ließ sich trefflich feiern. Nicht nur ihre Verwandten, sondern auch manch anderer Seefahrer fand den Weg zur Insel und verbrachte glückliche Stunden an Land. Das Bier war dunkel und würzig, der Rum stark und klar und das Essen schmackhaft und gehaltvoll.

Mit den Jahren versiegte jedoch der Strom der Schiffe, die im Hafen von Roxiura anlegten. Die Miradin nahmen es hin, denn ändern konnten sie es doch nicht und vertieften sich mehr und mehr in das Leben auf der Insel. Sie wurde in Bann gezogen vom wachsen eines Grashalms, von Regentropfen auf ihrer Haut, vom Gesang eines Vogels und von tausend Dingen mehr. Sie waren so vertieft in die Betrachtung der Dinge um sie herum, dass sie ihre Sprache vergaßen und andere Wege wählten, um sich miteinander auszutauschen. Dies gelang vortrefflich mit Blütenblättern, besonders geeignet waren die Blüten der Roten Rose. So nun ein Miradin einen Gedanken mit einem anderen auszutauschen wünschte, pflückte er ein Blatt, hauchte seine Gedanken hinein und übergab es einem anderen, der das Blatt an sein Ohr hielt, um zu lauschen. So ein Blütenblatt konnte mehrmals für so eine Konversation benutzt werden. Wurde es trocken, kam es in den Teekessel und am Abend wurde davon ein Tee gebraut, der den Nachhall vieler Gedanken in sich trug und allgemein für einen guten Nachttraum sorgte. Das war die Zeit, da sie vergaßen, zu sterben, so beschäftigt waren sie mit dem Betrachten und Lauschen. Da aber kein Körper ewig zu leben vermochte, verfeinstofflichten sich ihre Körper immer mehr.

Vom einstigen Landmann oder gar vom ursprünglichen Seefahrer war nichts mehr übrig. Luftige Elementargeister waren sie geworden, flüchtig, vergesslich und verspielt. Sie waren Verlockung und Rausch, die Sehnsucht eines kühlen Sommermorgens, die Wärme eines Feuers in schneeweißer Nacht, sie waren Teil der Ewigkeit und des Augenblicks. Keine Sorgen trübten ihren Frohsinn. Sie trugen überschäumende Heiterkeit wie ein Gewand, das im Wind flatterte und leise Musik verströmte. Es war diese Art von Musik, die der Seele schmeichelte und alle Wunden heilte. Diese Musik brachte selbst die rauesten Gesellen unter den Seefahrern zum Lächeln. Dies war zu der Zeit, wo nur noch selten ein Schiff den Weg zur Insel fand.
Meist waren es Schiffe in Seenot, abgetrieben von den berüchtigten Stürmen dieser Gegend, die hier unverhofft Rettung fanden. Gelegentlich jedoch kamen aber auch Menschen ohne Not, allein weil sie von der Insel gehört hatten, die mit eigenen Augen die wunderbaren Bewohner zu sehen wünschten. Keiner jedoch, der die Insel betreten und von ihrer Fülle gekostet hatte, fand jemals einen Grund, die weite Reise zu bereuen.

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