Der Sternenhund

Es war einmal eine Wunderhenne, die legte an einem Abend im April ein Ei. Über Nacht hielt sie es schön warm und am nächsten Morgen schon schlüpfte ein winziges Hundchen aus dem Ei. Das war ein Sternenhund mit schneeweißem, flauschigem Fell, das glänzte und glitzerte wie Sternenstaub. Am späten Nachmittag desselben Tages stellte sich der Sternenhund an den Rand des Nestes, breitete die Pfoten aus und begann zu schweben wie eine Seifenblase. Seither schwebte er bei schönem Wetter im Freien herum, den Kopf lässig auf eine Pfote gestützt, während er das Treiben im Hühnerhof beobachtete. In der Nacht schlief das Hundchen unter dem herrlich gemütlichen Gefieder der Wunderhenne.

Eines Tages kam ein Junge in den Hühnerhof. Anton, so hieß der Junge, staunte nicht schlecht, als er das winzige Hundchen mit dem glänzenden Fell in der Luft herumlümmeln sah. Er wollte es erst gar nicht glauben. Auch der kleine Sternenhund staunte nicht schlecht, denn er hatte noch nie so einen kleinen Menschen gesehen. Nicht, dass er schon viele Menschen gesehen hätte, aber immerhin schon drei Stück: Die Bäuerin, den Bauern und die Eierfrau. Die Eierfrau kam jeden Morgen mit der Bäuerin in den Hühnerhof und holte die Eier.
Und so staunten sie, der Junge und der Sternenhund, eine ganze Weile, still und stumm. Der Junge lachte zuerst, dann lachte der Sternenhund. Als der Junge nach dem Namen des Sternenhundes fragte und dieser noch keinen hatte, nannte er ihn Flix. Das gefiel dem Sternenhund auch und fortan waren Anton und Flix die besten Freunde.

„Gehst du gerne ins Schwimmbad?“, fragte Flix eines Tages.
„Oh ja!“, antwortete Anton mit leuchtenden Augen, „ich schwimme sehr gern, auch wenn das Wasser in unserem Freibad ein bisschen kalt ist. Ich würde so gern mal in einem Schwimmbad mit warmem Wasser schwimmen und mit einer langen Wasserrutsche, aber zu steil darf sie nicht sein, sonst trau ich mich nicht. Aber so ein Schwimmbad gibt es nicht.“
„Das ist nicht wahr“, sagte der Sternenhund und lachte. „Natürlich gibt es so ein Schwimmbad, pass mal auf!“ Und Anton passte auf, ganz genau. Das Hundchen schüttelte sich und sein Fell plusterte sich glitzernd auf. Anton kniff die Augen zusammen, so sehr blendete ihn das Glänzen und Glitzern.
„So“, sagte Flix. „Das Schwimmbad ist fertig, ob du es glaubst oder nicht. Gib mir die Hand und komm mit. Ich bringe dich hin. Du kannst es noch nicht sehen. Erst wenn du dort bist – vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn es ist ein unsichtbares Schwimmbad. Ich kann nämlich unsichtbare Dinge bauen. Das habe ich gelernt im Hühnerhof. Die Hühner sind ziemlich schreckhaft und wenn sie etwas sehen, was sie nicht kennen, dann gackern sie ganz wild und aufgeregt und können keine Eier mehr legen. Und dann ist die Bäuerin ärgerlich, weil sie dann der Eierfrau keine Eier verkaufen kann.“
Der Junge glaubte kein Wort. Das war alles nur ein Traum, so wie alles andere auch: Nur im Traum gab es einen Sternenhund namens Flix, und nur im Traum konnte dieser in der Luft herumschweben und Unsinn erzählen. Und nicht einmal im Traum gab es unsichtbare Schwimmbäder. Auf gar keinen Fall!

Doch da setzte sich der Sternenhund auf Antons Schulter und es ging los. Ein wilder Wind begann zu brausen, zuerst kalt und dann warm und dann war der Hühnerhof verschwunden. Alles war einfach weg. Nichts sah der Junge, gar nichts. Aber er hörte etwas. Er hörte Wasser plätschern und das Rauschen von Blättern im Wind. Und es roch mit einem Mal nach Schwimmbad. Flix schwebte direkt vor Antons Gesicht und grinste.
„Wir sind da!“, rief er und machte einen Salto rückwärts. Es gab einen leichten Platsch, Wasser spritzte in Antons Gesicht, und Flix war nicht mehr zu sehen. Plitschernd und platschernd tauchte der Kopf des Sternenhundes aus dem unsichtbaren Wasser auf, dann sah Anton wieder nur den Rücken oder nur eine Pfote. Das war sehr seltsam und lustig zugleich. Anton blieb vor Staunen der Mund offenstehen. Nur ein schneller Luftsprung des Sternenhundes verhinderte, dass ihm eine Fliege hineinflog. Da klappte er seinen Mund ganz schnell wieder zu.

Inzwischen hatten sich Antons Augen an die Unsichtbarkeit gewöhnt. Wow, dachte er, und zog sich blitzschnell aus. Hemd, Hose und Schuhe blieben da, wo er sie losließ und er verbrachte einen Moment damit, alles so hinzustellen, dass es aussah, als wäre in den Kleidungsstücken ein unsichtbarer Mensch. Eigentlich ganz praktisch, dachte er, sowas zuhause und es würde nichts mehr auf dem Boden herumliegen.
Mit einem gewagten Kopfsprung sprang er mitten in das unsichtbare Wasser hinein. Er jauchzte und jodelte vor Freude, denn das Wasser war so warm und weich. Zusammen mit dem Hundchen rutschte er bestimmt tausendmal die lange Wasserrutsche hinunter. Das war vielleicht ein Spaß! Beim letzten Mal tauchte er gar nicht mehr auf, sondern tauchte und tauchte. Darüber erschrak er mit einem Mal und bekam plötzlich keine Luft mehr. Doch das Hundchen war zur Stelle.
„Fürchte dich nicht“, sagte der Sternenhund zu dem Jungen. „Du kannst unter Wasser atmen. In diesem Wasser können alle atmen. Man kann so lange untergetaucht bleiben, wie man will. Wenn man will kann man dreitausendvierhundertachtzig Stunden untergetaucht bleiben. Und wenn man keine Lust mehr hat, dann geht man an den Strand, legt sich in die Sonne und lässt sich trocknen.“
Das machten sie auch bald, denn nur untertauchen war auf die Dauer auch langweilig. Das Hundchen ging voran und der Junge hinterher. Es rumste laut und Anton schrie „Autsch!“
„Du musst aufpassen und vorsichtig gehen“, sagte der Sternenhund. „Deine Augen sind nicht an die Unsichtbarkeit gewöhnt. Hier stehen überall Palmen. Wenn du langsam gehst, kannst du sie besser erkennen.“
„Das ist aber blöd“, antwortete der Junge. „Hier sollen keine Palmen sein, wenn ich mir den Kopf daran stoße.“
„Das ist nicht blöd“, widersprach der Sternenhund streng, „das ist vernünftig. Wir brauchen die Palmen, damit wir keinen Sonnenstich bekommen, wenn wir gleich ein Schläfchen machen wollen, weißt du!“
Anton und Flix
Nachdem die beiden eine Weile ausgeruht hatten, bekamen sie mächtig Appetit auf Stracciatella Eis und Sternenmüsli. Hier gab es aber nichts davon. Hier gab es nur das unsichtbare Schwimmbad und die unsichtbaren Palmen.
„Ich habe eine tolle Idee“, sagte der Sternenhund. „Ich baue uns einen Weg nach Teneriffa. Da kenne ich ein Hotel. Da gibt es Eis und Sternenmüsli und einen tollen Strand mit echtem Sand und echtem Meerwasser. Wenn wir Glück haben, können wir dort Delfine sehen. Die Palmen dort kannst du auf alle Fälle sehen, da passiert deinem Kopf nichts, nur im Wasser dort kannst du nicht atmen. Aber das macht nichts. Man kann sowieso nicht immer nur untergetaucht sein.“
Nach zwanzig Minuten kamen sie am Strand von Teneriffa an. So lange nur dauerte es nach Teneriffa. Zur Oma würde die Reise sogar nur eine Sekunde dauern.
Die beiden sahen eine ganze Weile aufs Meer hinaus, doch Delfine waren nicht zu sehen. Dann gingen sie ins Hotel. Die Leute dort waren sehr freundlich zu den beiden und gaben ihnen Sternenmüsli und Stracciatella-Eis, soviel sie mochten. Anton war so begeistert, dass er erst zu essen aufhörte, als ihm schlecht wurde. Der Sternenhund hatte schon früher aufgehört. Der Sternenhund war nämlich ein sehr vernünftiges Hundchen.
Und weil er so vernünftig war merkte er auch, dass es allerhöchste Zeit war, wieder nach Hause zu gehen. Zuerst quengelte der Junge und wollte nicht, denn, die Mini Disco fing gleich an. Doch der Sternenhund erlaubte es nicht, versprach ihm aber, ein anderes Mal wiederzukommen und damit war der Junge einverstanden. Auch weil er mit einem Mal merkte, wie müde er eigentlich schon war. So war Anton doch recht froh darüber, dass es wieder nach Hause ging.

So liefen sie schnell wieder zum Strand hinab, denn dort begann der unsichtbare Weg. Sie machten die Augen zu, so ließ sich der Weg besser erkennen. Und wieder pfiff der Wind, zuerst kalt und dann wieder warm und zwanzig Minuten später waren die beiden im Hühnerhof angekommen.
Anton winkte dem Hundchen zum Abschied, dann rannte er los, denn er hörte seine Mutter rufen.
Der Sternenhund schwebte zum Nest der Henne, schlüpfte unter ihr Gefieder und schlief sofort ein. In der Nacht träumte er von Stracciatella-Eis und Delfinen. Das nächste Mal würden sie Delfine sehen, ganz bestimmt.

Ende

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